Über Freiheit und Verantwortung aus Sicht des Neuen Yogawillens

Ein zeitgemäßer Entwicklungsweg wird immer zu größerer Verantwortung führen, die untrennbar als wachsende Freiheit erlebt wird. Gedanken hierzu aus dem Verständnis des Neuen Yogawillen.
„Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit; das ist der Grund,
weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.“

George Bernard Shaw


Die Auseinandersetzung mit Spiritualität und esoterischen Inhalten kann heute sehr leicht kompensatorischem Charakter unterliegen. Kompensatorisch in dem Sinne, dass man meinen könnte durch Spiritualität einen erträglicheren Umgang mit vielleicht oft ernüchternden Lebens- und Arbeitsbedingungen zu finden oder auch um eine mögliche innere Leere mit den ‚Harmoniestoff‘ spiritueller Inhalte zu füllen und auszugleichen.

Andererseits erlebt man auch nicht selten, dass religiöse oder spirituelle Anschauungen mit missionarischem Eifer weltverbessernd auf die Gesellschaft und die Mitmenschen projiziert werden. Eventuell werde ich durch meine ‚Wahrheitssicht‘ zum Kuturrebell und sehe es als meine Aufgabe, möglichst viele Menschen von meiner Heilslehre zu überzeugen, oder aber ich ziehe mich aufgrund meiner spirituellen Anschauung etwas mehr aus dem sozialen Leben zurück, weil
die einen eh nicht verstehen. Von Freiheit und Verantwortung läßt sich aber in diesem Zusammenhang sicher noch nicht sprechen.

Früher zog sich der Yogi oder eben auch bei uns im Westen der Mönch oder die Nonne aus aller sozial-gesellschaftlichen Integration weitgehendst heraus, um sich ganz Gott bzw. der spirituellen Entwicklung hinzugeben. Für die heutige Zeit wäre aber ein solcher Rückzug, der in früheren Zeiten durchaus seine Berechtigung hatte, nicht mehr wirklich vertretbar und würde längerfristig auch keineswegs den Menschen seinen angestrebten Idealen wirklich näher bringen. Psychische Degenerationen wären wohl die natürliche Folge eines solchen Weltenrückzuges. Demgegenüber wäre es aber sicher ebenso ein Irrtum zu glauben, dass in einer größtmöglichen sozial-caritativen Aufopferung und einem scheinbar vollkommen gelebten Altruismus der Schlüssel zur Freiheit liege. Wenngleich selbstloser Dienst am Nächsten sicherlich erstrebenswert ist, so kann eine ‚Selbstlosigkeit ohne Selbst‘ auch nur ein Ersatz für ein fehlendes Selbstwertgefühl sein und längerfristig den Menschen sogar in Erschöpfung und wachsende Disharmonien führen.


Die gestaltende Kraft einer integrierfähigen Spiritualität und die Bedeutung der individuellen Standpunktentwicklung

Im Neuen Yogawillen, wie er von Heinz Grill entwickelt und ausgestaltet wurde, ist es ein natürlicher Zielpunkt, dass der Einzelne auf gesunde Weise sozialfähiger, körperlich wie seelisch gesünder und im besten Sinne auch realitätsbezogener wird. Was aber heißt realitätsbezogener? Sehr häufig wird heute Spiritualität mit einem Eintauchen in die eigene Innen- und Gefühlswelt gleichgesetzt. Das eigene Harmonieerleben wird dabei über alles gestellt und man verbindet sich intuitiv mit den höchsten Wahrheiten, die dann das eigene Selbstgefühl zu einem zuckersüßen Einheitsgefühl aufblähen. Spiritualität wird zu einem Konsumartikel, der auf leichte Weise in das bisherige, persönliche Leben integrierbar ist. Leider wird dabei selten bemerkt, wie die Seele sich hierdurch dem Leben, der Realität und dadurch auch sich selbst immer stärker entfremdet und der Egoismus ungesehen oftmals größer anstatt kleiner wird.

Im Neuen Yogawillen führt die grundsätzliche Bewegungsrichtung der Aufmerksamkeit oder gesteigert auch der Konzentrationsentwicklung niemals in die eigene, subjektive Innenwelt hinein. In allen Übungsansätzen schult sich das aktive Seelenleben gerade darin, eine sehr sorgfältige und differenzierte Beziehungsaufnahme nach außen, zu den Übungen und den verschiedenen Inhalten, wie allgemein zum Leben und zu den Mitmenschen aufzubauen.

Ein wesentlicher Wert den Heinz Grill in seiner Arbeit immer wieder betont, und dies ganz besonders, wenn der Mensch sich mit spirituellen Übungsansätzen befasst, ist jener des eigenen Standpunktes. Niemals geht es darum bestimmtes spirituelles Gedankengut einfach zu glauben oder gar zu übernehmen. Vielmehr bewahrt der Übende von allem Anfang an immer eine eigene, individuelle Position aus der heraus er sich aktiv mit gewählten Inhalten oder Übungsansätzen auseinandersetzt. Esoterische Inhalte werden aus einer beschreibenden und jederzeit reflektierbaren Sicht studiert und in ihren praktischen Bezügen erforscht. Dieser den individuellen Standpunkt wahrende Umgang mit esoterischen Gedankengut kann als Exoterik bezeichnet werden und er bildet von Anfang an ein wesentliches Fundament einer wachsenden Freiheit und Authentizität. Der Aspirant bleibt sozusagen immer in einer Position der Anschauung und des Gegenübers und versucht keineswegs vorschnelle Einheitserfahrungen zu erlangen, die für die Entwicklung so nicht wirklich integrierbar und auch nicht authentisch wären.

Diese Standpunktorientierung sollte nun aber keineswegs mit blosser Meinungsäußerung verwechselt werden. Der exoterische Standpunkt bildet die notwendige Basis esoterische Inhalte sorgfältig und ausdauernd in Theorie und Praxis zu studieren, bis sie auf authentische Weise konkrete Erfahrung und ein jederzeit rebflektierbarer Teil des Menschen selbst werden. Die wiederholte Auseinandersetzung mit spirituellen Gedankengut und damit verbundenen Gesetzmäßigkeiten des körperlichen, seelischen und geistigen Lebens führt den Strebenden auf ganz natürliche Weise zu einem größeren Verantwortungsgefühl gegenüber dem Leben in seiner Vielschichtigkeit. Der Aspirant erfährt auf konkrete Weise, wie hinter allen Erscheinungen und auch materiellen Begebenheiten eine tiefere Sinnbedeutung liegt und ganz wesentlich gewinnt er ein profunderes Verständnis für die Stellung des einzelnen Menschen mit seinen Auswirkungen auf die Gesamtheit. Nicht mehr so leicht wird sich der Einzelne nur als Rädlein in einem unendlich großen Getriebe sehen, sondern ihm wird seine individuelle Verantwortung wesentlich bewusster. Spirituelle Schulung bedeutet in jeder Weise mehr zu erkennen, differenzierter zu erleben und verantwortungsvoller zu handeln. Der gewöhnliche Bürger macht sich wenig Vorstellungen darüber, wie sehr er oftmals pausenlosen Mechanismen und Fremdsteuerungen unterliegt. Es erfordert den schrittweisen Mut aus vielen determinierenden Einflüssen herauszutreten und das Leben aus einer wachsenden eigenen Führung, Idealität und Verantwortung aufbauen und gestalten zu lernen. Dabei liegt, wie anfangs betont, die Bewegungsrichtung nicht in einem Herausgehen aus dem sozialen Leben und seinen Strukturen, sondern sogar gegenteilig wird aus einer größeren Eigenständigkeit im Denken, Fühlen und Wollen das Leben mit neuen Impulsen und Inhalten geführt, verlebendigt und in seinen Möglichkeiten erweitert.


Individualität - Universalität - Sozialität und ihre Beziehung zur Freiheit

Es gibt die Realitätsebene einer seelisch-geistigen Welt. Der Kosmos ist in seiner Weisheit, Logik und eben in seinem untrennbaren Zusammenhang zum irdischen Leben konkret benenn- und erfahrbar. Der Aspirant der sich den Inhalten des Neuen Yogawillen hinwendet, studiert, ähnlich wie in der Anthroposophie, gewissermaßen auf exoterische Weise die verborgenen Gesetze dieser Wirklichkeit und lernt sie nach und nach auf individuelle und verantwortliche Weise erweiternd in den irdischen Zusammenhang zu führen. Er bemüht sich um eine erste Synthese zwischen Geist und Welt, zwischen Universalität und Individualität und lernt sein Leben in wachsender Weisheit zu führen. Dieser den Menschen in seiner Verantwortung und Freiheit ansprechende Weg der Seelengestaltung und Seelenentwicklung wird von Heinz Grill als Individuation bezeichnet.

Das Wegfallen einer kirchlichen Autorität oder sonstiger Instanzen, die dem Menschen vorgeben was gut und schlecht, richtig und falsch, christilch oder unchristlich ist und dabei aber die individuelle Erkenntnis- und Selbstkraft des Menschen ausschließen, ist für die Erfahrung einer integralen Freiheit und Verantwortung bedeutungsvoll. Dabei kann die Hinwendung an die Evangelien oder auch an östliche Schriften wie die Bhagavad Gita eine tiefe Inspirationsquelle sein. Die Freiheit muss aber erst Stück für Stück in mutiger Auseinandersetzung und in der Liebe zu einem größeren Ideal langsam errungen werden. Ein Lehrer kann durchaus gewählt werden der als Vorbild, Inspirationsquelle und oftmals auch korrigierend beratend zur Seite steht. Dieser wird aber immer darauf achten, die eigenständigen Individuationsschritte in Kongruenz mit den spirituellen Zusammenhängen freiheitlich zu fördern und nicht zu unterbinden.

Gerade diese individuelle, freiheitliche und eben verantwortliche Stellung des Einzelnen in der Gemeinschaft, in seinem Beruf, bzw. des Einzelnen gegenüber einer größeren aber benennbaren Universalität möchte Heinz Grill in dem von ihm sorgfältig beschriebenen Individuationsweg vermitteln. Die Realisierung von Verantwortung und Freiheit ist in der Person von Heinz Grill selbst auf schöne und authentische Weise zu erleben. Alle guruhaften Autoritätsverhältnisse lehnt er zutiefst ab. Es ist beeindruckend zu erleben, wie eine gelebte spirituelle Kapazität sich in einem Menschen gründen kann, oder anders gesagt, wie sich eine realisierte Individuation zwischen Geist und Welt in einem freiwirkenden Ich ausdrücken kann. Nicht ein äußerer Status oder irgendein autoritativer Anspruch spiegelt diese Authentizität, sondern es ist vielmehr die entwickelte Seelen- und Erkenntniskraft, die sich in sinndurchdringender Erweiterung dem Leben und den Möglichkeiten der schöpferischen Entwicklung gegenüber freiheitlich und rational gegenüberstellt.